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Blick in die Branche: Wie Unternehmen bei der Umsetzung von Nachhaltigkeit helfen

Blick in die Branche: Wie Unternehmen bei der Umsetzung von Nachhaltigkeit helfen

Diplom-Biologe Wolfgang Herdlicka setzt sich u. a. mit greenviu für den Erhalt einer intakten Umwelt sowie einen sparsamen Umgang mit immer knapper werdenden Ressourcen ein. Im Interview erklärt er, mit welchen Services er Zahnarztpraxen bei einem nachhaltigeren Alltag unterstützt.

Wolfgang Herdlicka
Wolfgang Herdlicka ist Geschäftsführer des Vertriebsunternehmens Hess Medizintechnik und verschreibt sich mit Leib und Seele der Nachhaltigkeit. Als Kooperationspartner des Unternehmens greenviu setzt er sich dafür ein, Produkte für einen nachhaltigeren Praxisalltag zu finden und begleitet Praxisteams bei der Umsetzung nachhaltiger Maßnahmen.



Wawibox: Was ist Ihre Motivation, sich für Nachhaltigkeit einzusetzen?

Herdlicka: Ich habe Biologie studiert, was mein Bewusstsein für Umwelt und den Erhalt unserer Natur sehr geprägt hat. 
Außerdem hat man ja meist den Wunsch, dass es die nachfolgende Generation besser haben soll als man selbst. Als vielleicht erste Generation seit dem Weltkrieg denken wir aktuell aber eher, dass unsere Kinder es mal schlechter haben werden als wir – nicht nur wegen des Ukraine-Kriegs, sondern eben gerade wegen der Herausforderungen des Klimawandels. Da muss man jetzt einfach etwas machen, und zwar jeder!

„Nicht ein paar, nicht die anderen, sondern jeder von uns kann was tun. Das ist mein Anspruch.“

 

Wawibox: Neben Ihrer Tätigkeit als Geschäftsführer im Vertrieb Hess Medizintechnik engagieren Sie sich auch bei greenviu. Was ist greenviu?

Herdlicka: Greenviu ist ein weltweit agierender Zusammenschluss von (Zahn-)Ärzt:innen, Physiotherapeut:innen, Zahntechniker:innen und weiteren Dienstleistern im Gesundheitswesen.

Unser Ziel ist, den CO₂-Fußabdruck des medizinischen Sektors mit wissenschaftlich fundierten Maßnahmen zu reduzieren. Dabei soll gewährleistet werden, dass die Sicherheit der Prozesse, die Hygiene und die Effizienz in den Praxen und Kliniken nicht beeinträchtigt werden. 

Zahnarztpraxen können eine Mitgliedschaft beantragen und bekommen dann beispielsweise Zugriff auf die greenviu Academy mit zahlreichen CME-Trainings, wissenschaftlich belegten, Informationen, Präsentationen, Kommunikationsvorlagen und mehr.
Sie können auch Praxisbegehungen und Workshops mit uns buchen, um persönlich über ihre Situation und Möglichkeiten zu sprechen. Wir überprüfen außerdem als nachhaltig gekennzeichnete Produkte und unterstützen Projekte gegen den Klimawandel.

„Reduce, Replace, Compensate – das ist unser Motto.“

 

Wawibox: Wird Ihrer Ansicht nach in der Dentalbranche viel Greenwashing betrieben?


Herdlicka: Ich denke, das ist ähnlich wie in anderen Branchen: Jeder Hersteller versucht, seinem Produkt so viel Aufmerksamkeit wie möglich zu verschaffen. Da wird dann eben auch gerne mal getrickst oder schöngeredet. 

20211211_Greenviu_Symbolfotos_©_LuiseMortag-0655Labels und Zertifikate geben Aufschluss darüber, ob ein Produkt nachhaltig ist | Quelle: greenviu

 

Wawibox: Praxen, die beim Einkauf auf Umweltschutz achten möchten, können sich auf Produktbezeichnungen wie „nachhaltig“, „Bio“, „recycelt“ verlassen. Ist das so?


Herdlicka:
Was es Verbraucher:innen sehr schwer macht, ist, dass Begriffe wie „Bio“, „recycelt“ oder „nachhaltig“ nicht eindeutig geschützt sind. „Bio“ ist griechisch und bedeutet „Leben“. Wenn man Bio auf Produkte schreibt, die nicht essbar sind oder von einem Organismus stammen, ist das irreführend – es wird aber getan und ist leider nicht verboten. 

Wenn mir bei greenviu so ein Produkt unterkommt, frage ich kritisch beim Hersteller nach. Oftmals handelt es sich nicht um pflanzenbasierten oder biologisch abbaubaren Kunststoff, sondern lediglich um recycelten Kunststoff. Natürlich ist recyceltes Plastik immer noch besser als das aus frischem Mineralöl. Dennoch überlege ich dann sehr genau, ob ich es in unser Sortiment aufnehme.  

Oder manchmal steht groß „recycelt“ oder „recycelbar“ drauf – und dann ist damit nur die Verpackung gemeint, manchmal sogar nur anteilig, wie z. B. der Pappteil, nicht aber das Produkt selbst.

Auch bei der Aufschrift „pflanzenbasierter Kunststoff“ ist leider oft Vorsicht geboten. An sich sind solche Kunststoffe aus Zuckerrohr oder Maisstärke – eine tolle Sache. Häufig handelt es sich aber nicht um 100 % pflanzenbasierten Kunststoff, sondern vielleicht um 50 oder 40 %. Dann haben wir ein Problem, denn der Rest ist normaler Kunststoff – wodurch das Produkt nicht recycelbar ist, weil die Sortiermaschinen nicht erkennen können, welche unterschiedlichen Arten von Kunststoff enthalten sind. 

So landet das Produkt in der Verbrennung oder Endlagerung und wäre letztlich nachhaltiger gewesen, wenn es einfach komplett aus recycelbarem Plastik hergestellt worden wäre.

Natürlich steht das so aber nicht auf der Packung.

„Ein Produkt aus unterschiedlichen Kunststoff-Quellen kann letztendlich umweltschädlicher sein als ein Produkt aus mineralölbasiertem Kunststoff, weil es nicht recycelt werden kann.“


Wawibox: Was können Verbraucher:innen tun, um solchen „Fallen“ zu entgehen?

Herdlicka: Im Grunde müsste man immer bei den Herstellern nachbohren – das kann ein Praxisteam im Alltag natürlich nicht leisten. Wir bei greenviu können es aber; das ist genau das, was wir tagtäglich tun. Unsere Informationen geben wir an unsere Kund:innen weiter, um hier einfach mehr Transparenz zu schaffen.


Wawibox:
Gemeinsam mit greenviu haben Sie nachhaltige Produkte klassifiziert. Wie können wir uns diese Klassifizierungen vorstellen?

Herdlicka: Wir mussten uns Gedanken machen, welche Produkte wir aufnehmen, und wollten hierfür eine wissenschaftliche Grundlage als Entscheidungshilfe haben.

Dafür haben wir einen Algorithmus entwickelt, der für jedes Produkt ein individuelles Rating erstellt. Ausschlaggebend dafür sind folgende Kriterien:

🌱 Herstellung,
🌱 Rohstoffe,
🌱 Qualität,
🌱 Haltbarkeit,
🌱 Entsorgbarkeit
🌱 und Schädlichkeit der Entsorgung.

Dort fließen auch die ganzen Informationen mit ein, die ich sozusagen in Detektivarbeit bei den Herstellern in Erfahrung bringe. Ich frage dafür kritisch nach und lasse mir auch Zertifikate zeigen.

Ein paar Beispiele, worauf wir achten:

  • Herstellung: Ist die Fertigung ressourcenschonend? Kommen also z. B. regenerative Energien oder weniger ölbasierte Rohstoffe und Energie zum Einsatz? Der Hersteller W&H hat auf dem Dach der neuen Werkhalle eine Photovoltaikanlage installiert und speichert die Wärme der Maschinen, um sie im Winter zum Heizen zu verwenden. Selbst Metallspäne, die bei der Produktion als Abfall anfallen, werden wiederverwertet. Es kommen bei der Produktion also mehr regenerative Energien zum Einsatz, weshalb wir W&H-Produkte als nachhaltig eingestuft haben.
  • CO₂-Bilanz: Diese kann man nicht immer exakt messen, aber schon die Herkunft des Produkts (z. B. Deutschland, Europa vs. Asien, USA) gibt Aufschluss über die Transportwege und damit den CO₂-Ausstoß.
  • Rohstoffe: Wie umweltschonend sind die Werkstoffe? Materialien wie seltene Erden sind beim Abbau ein großes Problem, weil beispielsweise Seen versalzen oder verschmutzt werden. Davon bekommen wir in Europa häufig nichts mit, für die lokale Bevölkerung z. B. in Südamerika ist das aber ein großes Problem, weil beispielsweise der Fischfang darunter leidet.
  • Qualität: Wie hochwertig ist das Produkt für den Behandler? Beispiel FFP2-Masken: Eine von uns zertifizierte polnische Marke bietet weniger Atemwiderstand als vergleichbare deutsche Marken – nach acht Stunden Tragen fühlt man sich mit ihr am Ende des Tages deutlich weniger erschöpft. Ein anderes Beispiel: Handschuhe, die im generellen Vergleich wesentlich weniger krebserregende Stoffe enthalten – leider gibt es sie aber nicht in Europa. Hier muss man also abwägen: längerer Transportweg vs. gesundheitlicher Nutzen. Und da diese Nitril-Handschuhe aus Asien – falls sie auf der Müllhalde landen – auch noch biologisch abbaubar sind, findet man sie in unserem greenviu-Warenkorb.

20211211_Greenviu_Symbolfotos_©_LuiseMortag-0481Die Entscheidung, wie nachhaltig ein Produkt ist, erfordert oftmals einen zweiten prüfenden Blick | Quelle: greenviu


Wawibox: Wie werden Sie auf neue Produkte, Hersteller oder Händler aufmerksam?

Herdlicka: Zum Teil werden wir inzwischen auch schon kontaktiert, aber meist muss man einfach sehr aufmerksam sein. Ich habe mich z. B. auch gefreut, als ich bei Wawibox viele nachhaltige Produkte entdeckt habe.

Unser Anspruch bei Wawibox: mit unserer Bestellplattform für Dentalprodukte mehr Transparenz in den Markt zu bringen – auch in puncto Nachhaltigkeit. Dafür haben wir bereits erste nachhaltige Produkte  auf dieser Seite gesammelt und bemühen uns, weitere Produkte zu klassifizieren.


Wawibox: Sie halten auch Vorträge und Workshops zum Thema Nachhaltigkeit in Zahnarztpraxen. Was sind die häufigsten Fragen oder Herausforderungen der Teilnehmenden?

Herdlicka: Meist ähneln sich die Fragen sehr: 

„Wir sind motiviert, wissen aber nicht, wie und wo wir anfangen sollen.“

Oder: „Einige von uns sind motiviert – die anderen nicht. Wie bekommen wir alle ins Boot?“ 

Oder: „Was hat den größten Nutzen?“ 
Oftmals sind es viele kleine Dinge, einer der größten Posten ist aber der Anfahrtsweg der Mitarbeitenden und Patient:innen in die Praxis und zurück. Die Wahl des richtigen Verkehrsmittels ist, für das Gesundheitswesen, mit der größte Hebel zur CO₂-Einsparung.


Wawibox: Gehören noch weitere Leistungen zu Ihrem Servicepaket für Zahnarztpraxen?

Herdlicka: Wir haben aufgrund der Feedbacks verstanden, dass unsere Plattform allein nicht reicht. Darum beginnen wir mit einer Praxisbegehung inklusive Status-Quo-Analyse. Ist eine Praxis weiter weg, geht das auch online. Die Praxis bekommt in diesem Schritt bereits erste Anregungen, was sie tun kann. Im darauffolgenden Workshop kann dann eine individuelle Strategie entwickelt werden, die zu den Gegebenheiten der Praxis passt. 

Das Ziel ist, alle im Team abzuholen, indem wir die Sinnhaftigkeit und Dringlichkeit transportieren. Ohne Sinnhaftigkeit ist es einfach eine Anweisung von oben und wenn niemand mehr so genau hinschaut, wird es nicht mehr gemacht.

Genauso wichtig ist es aber auch, sich gegenseitig zuzuhören: Welche Sorgen. Ängste, Erfahrungen, Probleme bei der Umsetzung bringen die Teilnehmenden mit? 

Letztlich erarbeiten wir, wie die Maßnahmen umgesetzt werden können, denn Praktikabilität ist ebenfalls eine wichtige Säule, damit etwas passiert und langfristig Erfolg hat. Oftmals ist eine Herausforderung dabei, den Behandelnden zu vermitteln, dass eine nachhaltige Praxisführung nicht nebenbei erledigt werden kann. Das Team benötigt dafür zeitliche und, z. B. beim Einkauf, auch finanzielle Ressourcen. 

„'Nachhaltigkeit gerne, aber es darf nicht mehr kosten' ist der falsche Ansatz. Zum Nulltarif geht es nicht.“

Als Resümee kann man festhalten: Der Weg zu einer wirklich nachhaltigen Zahnarztpraxis ist nicht mal eben schnell gelaufen. Doch lohnt es sich gerade jetzt, in Zeiten mit explodierenden Energiepreisen und rasant gestiegenen Inflationszahlen, den ersten Schritt zu gehen. Denn wenn Praxisteams erkennen, an wie vielen Stellschrauben sie drehen können, um weniger Energie und Ressourcen zu verbrauchen, sparen sie am Ende des Weges auch wieder Kosten ein. Und diese Ersparnisse kann man dann mit gutem Gewissen verwenden, um die meist etwas teureren nachhaltigen Produkte gegen zu finanzieren.

Bis sich die neuen Prozesse eingespielt haben, steht natürlich ein anfängliches Zeitinvestment.

Unterm Strich bleibt dann aber ein zufriedenes Praxis-Team, das sich durch das aktive Engagement gegen den Klimawandel stolz seinen eigentlichen Aufgaben widmen kann.

 

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Wir danken Herrn Herdlicka für seinen unermüdlichen Einsatz und die spannenden Einblicke in seinen Alltag!

 

Möchtest du greenviu kennenlernen? Dann schau dich gerne auf der Webseite um!

 

 

Quelle: Orsing